Göbekli Tepe - ein Vortrag von Martin von Mackensen, 2023

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Martin von Mackensen am 1. Februar 2023 mit seinem Vortrag über Göbekli Tepe im Goetheanum in Dornach. Film/Bild: François Hagdorn

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Transkription 1. Februar 2023

Dank und Widmung 00:00:59

Ganz herzlichen Dank, dass ich das hier darstellen darf. Ich möchte diese Ausführungen zwei Menschen widmen, denen ich das verdanke, dass ich über dieses Thema so lange habe arbeiten können. Das eine ist ein Freund von mir, der mit Anthroposophie und Biodynamik gar nichts am Hut hat, aber der Archäologe ist und der mich schon in der Schulzeit für diese Sache begeistert hat.

Und das andere ist mein väterlicher Freund, der Georg Glöckler, der mit mir in den 90er Jahren in den Zeitungen die ersten Berichte herausfischte über diese Forschung und mit dem ich schlussendlich 2007, als die ersten einzelnen Objekte aus dieser Ausgrabung hier nach Deutschland kamen, sofort in das Museum in Karlsruhe gepilgert bin und wir dort eben auch den Ausgräber selber kennenlernen konnten.

Der Wandel in der Archäologie: Warum Landwirtschaft? 00:01:57

Es ist eine unglaubliche Sache, was wir da in den letzten 25, 30 Jahren erleben konnten. Noch in den 90er Jahren ist man davon ausgegangen: Die Menschheit hat die Landwirtschaft erfunden aus Bequemlichkeit, aus Faulheit, aus Effizienz. Und es wurde schon immer mehr deutlich: Das ist überhaupt nicht einfacher. Ja, man lebt dann sogar kürzer, man hat mehr Krankheiten, man hat mehr Arbeit. Warum macht man das? Warum macht man das?

Und das ist eine sehr rätselhafte Geschichte. Und dazu brauchen wir – Ueli hat es schon angedeutet – hier Werkzeuge. Wir können heute auf so etwas nur schauen – wir haben keine schriftlichen Dokumente – indem wir vier Methoden gleichzeitig benutzen.

Das Erste sind natürlich die Fakten: die archäologischen, die genetischen, die ganzen Fakten, die geologischen und so weiter. Das Zweite – und das wird Sie erstaunen – das sind wir selber. Wir selber sind in der Lage, mit unserem empfindenden Bewusstsein in die Fragen einzutauchen, und ich werde gleich davon ein kleines Stück mit Ihnen versuchen. Das Dritte ist die Anthroposophie. Was Rudolf Steiner darstellt ... er stellt viel dar über die Geschichte und es gibt viele Quellen, die wir auch zum Teil gar nicht gut genug kennen. Das kann eine unglaublich tiefe und weite Anregung sein. Das kann einen neue Dinge finden lassen, das führt zu neuen Verbindungen, zu neuen Schlüssen. Und das Letzte ist ein Zukunftsmotiv, was immer mehr auftaucht, auch bei den Historikern: Wir müssen lernen, die Mythologie als geschichtliche Quelle zu nutzen. Davon ganz zum Schluss eine kleine Kostprobe.

Empfindungsübung: Vom Tun zum Werden 00:04:15

Übungsanleitung:

"Ich würde Sie jetzt gerne bitten, aufzustehen und für eine Minute etwas mitzuempfinden. Ganz harmlos, wer nicht will, bleibt sitzen. Sie können auch gerne die Augen zumachen oder offenlassen, ist egal.

Sie kommen aus einer Arbeit. Vielleicht haben Sie gejätet, vielleicht haben Sie geerntet, vielleicht haben Sie gehackt, vielleicht haben Sie gefüttert. Sie kommen aus einer fließenden, kraftvollen Arbeit. Das kommt zu Ende. Da stehen Sie jetzt und Sie schließen die Füße und Sie stehen wirklich gerade. Und Sie kommen mit der Frage: Das ist jetzt gut zu Ende. Wo geht es weiter? Was ist der nächste Schritt? Wo hatte ich mir vorgenommen, heute zu enden? Wie weit bin ich? Was ist morgen dran? Wie war das letztes Jahr? Wie werde ich es nächstes Jahr vielleicht anders machen, wieder machen?

Und vielleicht gibt es einen Moment, wo Sie die Hände so vor dem Bauchnabel wie Art falten und ruhig sich konzentrieren auf solch ein gedankliches, fühlendes Erwägen. Und dann kommen weitere Begriffe dazu – das brauchen wir jetzt gar nicht machen, sondern das deute ich nur noch an. Dann kommt dazu, wie Sie in Ihrem Hof sind, wie dieser Hof sich entwickelt, was Ihre Sorgen sind, was das Gelungene ist, was mit dem Kollegen, der Kollegin ist und so weiter. Und dann tauchen schlussendlich große Motive auf, aus denen heraus Sie vielleicht Entschlüsse fassen.

Und das haben Sie alles vor sich. Jetzt beschließen Sie das wieder, beschließen Ihre Arbeit und steigen wieder in Ihren Alltag ein. In diesem Fall dürfen Sie sich einfach setzen."

Halten Sie das bitte fest, dieses Erlebnis: wie senkrecht zu stehen, wie völlig in der Ruhe zu sein und wie vor sich Bilder zu haben, die bearbeitet werden. Wo zu dem Denken, zu den Begriffen etwas hinzukommt, wo ein inneres Austauschen, wo eine innere Bewegung beginnt. Das ist ein ganz entscheidendes Motiv für alles, was wir jetzt zu besprechen haben.

Der Mensch ist auf einmal seit vielen Jahrmillionen kein Wanderwesen mehr. Wir wissen nicht, was es letztendlich war. Aber er hat dieses [Verhalten], was wir heute noch bei den Aborigines wunderbar studieren können, was die Philosophen enorm interessiert, weil ein ganz anderes Denken, ein ganz anderes Verhältnis zur Welt das ist, wenn man immer unterwegs ist. Das ist zu Ende. Daran ist kein Interesse mehr. Da ist etwas Neues notwendig. Da will etwas Neues geboren werden. Und das hängt zusammen mit Thesen. Und dieses hängt zusammen mit dem Ich-Will-Etwas. Ich habe in mir vor, einen bestimmten nächsten Schritt zu tun. Und alles, was Sie da vielleicht eben gerade vor sich gesehen haben, von einer ganz einfachen Arbeit, ist geprägt von dem, dass Sie mit diesem Lebenszusammenhang, in dem Sie stehen, in eine Zukunft gehen wollen. Für den Wandermenschen, für die Wandermenschheit ist das vollkommen anders. Die lebt in einem unglaublichen Weisheitsgeflecht, wo viel mehr das zu tun ist, was jetzt gerade wie aus einer Geistigkeit durch die Natur, durch die großen Tierherden und so weiter mich berührt.

Der entscheidende Punkt – ich möchte jetzt drei Prinzipien benennen. Das entscheidende Erste ist dieses: Ich bin nicht in dem, was ist, sondern ich bin in dem, was werden soll. Ich verbinde mich mit dem, wo es hingehen soll. Und da greife ich hin und dann ziehe ich mich hin und meine Hände sind darin und ich reflektiere wieder und so weiter. Das zweite große Prinzip: Ich verbinde mich mit einem Ort. Was ist das Prinzip Ort? Wir haben ja als Menschheit im Moment den Drang, das sozusagen möglichst zu verlieren. Und gleichzeitig ist es unglaublich unsere Quelle und für uns Landwirte und Gärtner ganz entscheidend: wirklich mit diesem Ort zu empfinden, mit diesem Ort zu denken, mit diesem Ort zu fühlen, aus diesem Ort heraus das Richtige, zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Moment zu tun. Das ist das zweite große Prinzip.

Und das dritte ist eigentlich das Evidenteste, das sofort Verständliche: Senkrecht. Aufrichte. Das ist so einfach und so klar, dass man es vergisst, dass es einem nicht auffällt. Das bedeutet: Ich bin zwischen Himmel und Erde. Ich bin in dieser Position. Und das heißt, da unten gibt es etwas, was dunkel ist. Und da oben ist die Gedankenklarheit, die mir der Himmel manifestiert. Oder Aufrichten.

Göbekli Tepe: Die Entdeckung eines Kultplatzes 00:11:14

1995 ist der deutsche Archäologe Klaus Schmidt von einer Grabung, an der er einige Jahre dort in Obermesopotamien, im Südost-Anatolien... da ein paar Kilometer weitergegangen, weil er suchte nach neuen Ausgrabungsstätten. Er war Beteiligter an einer wesentlichen Ausgrabung, zu der wir ganz zum Ende noch mal kommen: Nevalı Çori. Und er kam auf einen Hügel, fast 800 Meter hoch. In der Sprache der Einheimischen: der bauchige Hügel, Göbekli Tepe, oder sogar der schwangere Hügel.

Es gab einen einzigen Maulbeerbaum – was wir vorhin gesehen haben, das ist schon jünger, dass wieder Oliven dastehen – Mitte der 90er-Jahre war nur ein Maulbeerbaum da. Und da gingen die jungen Frauen hin und hängten Fahnen in diesen Baum für ihre ganz persönlichen Wünsche: den richtigen Mann zu behalten, zu finden, ein Kind zu bekommen oder so. Es war ein magischer Ort. Und Klaus Schmidt – ich verehre ihn, das ist wirklich ein ganz, ganz toller Archäologe, der leider viel zu früh gestorben ist, ungefähr meines Alters, vor acht Jahren beim Baden verstorben – Klaus Schmidt kommt da hin und greift in den Boden, so das, was noch an Boden gerollt [ist]. Es ist dort heute eigentlich fast eine Wüste. Was er in der Hand hat, sind Feuersteinabschläge, noch und noch und noch und noch. Und Tierknochen, die zerschlagen sind. Und es ist ihm sofort klar: Entweder gehe ich innerhalb einer Minute und vergesse alles oder ich werde den Rest meines Lebens hier zubringen. Also wie eine... er beschreibt das wunderbar... wie eine... es war ihm sofort klar, das ist ein ganz besonderer Ort.

Und es ist ganz erstaunlich, es sind zwei Archäologen die Jahrzehnte vorher dort gewesen und haben im Grunde genommen auch das schon gesehen und wussten auch schon, dass Bauern beim Pflügen große Felsstücke herausgeholt hatten und nicht wussten, was damit eigentlich ist. Und keiner hat es berücksichtigt. Es gibt viele, viele tolle Orte, archäologisch tolle Orte in der Gegend, und man hatte diesen wie vergessen. Klaus Schmidt kann im folgenden Jahr mit einer türkischen Gruppe und seiner späteren Ehefrau, die auch Türkin ist, dort graben und konnte das dann bis zu seinem Tod im 2014 jedes Frühjahr und jeden Herbst.

Und schon bei der ersten Grabung wird deutlich: Da kommt etwas heraus, was ein riesiger Fels ist, ein riesiger behauener Stein. Und es ist völlig klar: PPN, das ist das Zeitalter 9600, 8000 bis 9500 vor Christus, das ist das Neolithikum, wo es noch keine Keramik gibt. Das vorkeramische Neolithikum. Die ersten Kohlenstoffanalysen geben das sofort her. Und die ganzen umliegenden Ausgrabungen sind ungefähr 1000 Jahre später. Also dieser Moment: Ich finde eine Stelle und da ist sofort ganz viel Material und ich kriege über mehrere Analysen innerhalb weniger Wochen klar, das liegt alles vor dem, was hier in der Gegend sowieso schon ist, von der wir wissen, es ist der Fruchtbare Halbmond und es muss hier passiert sein, dass eines Tages die Menschheit sozusagen diesen neuen Weg eingeschlagen [hat].

Und entsprechend wurden ständig bei den weiteren Ausgrabungen Proben gezogen, sowohl die man dann aussieht... ja ich will vielleicht gar nicht zu viel in die archäologischen Details gehen. Also es wurden ständig weitere Datierungen vollzogen, sodass wir heute sehr, sehr sicher sein können: Diese Datierungen sind fest, die sind stimmig.

Die T-Stelen: Kunst und Kult vor der Sesshaftigkeit 00:15:37

Und heraus kam die erste große T-Stele. Und die beschreibe ich jetzt. Vielleicht kann man das erste Bild [sehen]. Ich habe absichtlich keine Fotos. Ich könnte stundenlang wunderschöne Fotos zeigen, ich lege hier nachher Bücher hin, da kann man das noch nachholen oder das sind die besten Bücher, die ich meine, da kann man auch abknipsen, man kann im Internet jede Menge finden. Mir geht es darum, dass Sie sich selber ein inneres Bild entwickeln. Und zwar ein Bild nicht in einer Halbwüste, das ist das Problem, sondern ich möchte Sie ja mitnehmen an den Entstehungsmoment. Und der ist in der vollen, prachtvollen Vegetation. Es ist alles da zu dieser Zeit vor 11.500 Jahren, direkt nach der Eiszeit in dieser Gegend.

Und diese erste Stele hier ist – das ist jetzt nicht die erste, das ist, man könnte fast sagen, die schönste mittlerweile Ergrabene – 5,50 Meter hoch, ungefähr 8 Tonnen. Ein Stück. Unten – das ist nicht gut gelungen beim Zeichnen – das sind wunderbare kleine Entenvögel. Überhaupt sind die figürlichen, tierischen, also Tierillustrationen wunder-, wunderbar. Könnte man stundenlang darüber reden, welche Tiere, ich zähle das nur ein bisschen auf. Ich muss vor allem mich konzentrieren, dass wir mit der Zeit durchkommen.

T-Träger. Dieser T, dieses T und diese Arme und diese stilisierte Figur. Und der Lendenschutz, das ist ein Fuchsfell, ein stilisiertes Fuchsfell. Der Fuchs ist obendrauf, der Fuchs ist sozusagen da als Fell. Und man hat vor der Stele ganz unten Fuchsskelettteile gefunden. Diese Stele ist jetzt da und sie hat einen Partner. Zwei große Stelen und drumherum – vielleicht können wir kurz mal das nächste Bild haben – drumherum mal 6, mal 8, mal 13 weitere Stelen, die alle immer etwas kleiner sind. Also von Überdachung oder so braucht man nicht denken.

Und im Übrigen in dem Innenraum alles, nur keine Reste von menschlicher Ernährung, von menschlichem Leben. Als Archäologe, wenn ich das ausgrabe – das war zwei Meter tief drin – erwarte ich da etwas. Das haben Menschen gemacht, da müssen menschliche Reste sein. Und da war nichts, noch nicht mal eine Feuerstelle. Ein Kultplatz, ich nehme das jetzt voraus, der 1200, 1400 Jahre später, am Ende dieser großen Periode von den Menschen selbst, die sozusagen dieser Epoche zugehören, von diesen wird es wieder verdeckt, zugegraben. Riesige Erdmengen und zwar die Reste... sie holen sozusagen ihren organischen... ihre organischen Reste, ihre Lebensreste, ihre Herstellungsreste von den alles mit Stein an Stein hergestellten Skulpturen, das wird als Füllmaterial benutzt und deshalb ist der Hügel blank. Man sieht nichts.

Eine unglaubliche Geste. Diese T-Stele, das ist das, was ich versucht habe mit Ihnen eben zu empfinden. Das Aufrichte, das Bewusste, das absolut Ruhige und das Zukunftsgewandte. Und diese zwei, meistens sind es zwei – es gibt nämlich von diesen Runden mal mindestens 20. Fünf sind ergraben. Wir wissen ganz genau – also Sie können sich beruhigen – es sind die nächsten 15, 20, 50 Jahre wunderbare Ergebnisse zu erwarten. Es wird Jahre, Jahrzehnte weiter gegraben an dieser Stelle, das ist schon klar. Wir kennen also genau, dass es noch ungefähr 20 solche Kreise gibt und jeder von diesen Kreisen ist in der Regel so angelegt, wie ich das eben geschildert habe.

Und zwischen den kleineren Außenstelen ist jetzt eine Mauer, die sowohl den nach hinten, nach außen hält, als auch zwischen den Stelen. Und das ist eigentlich so, als könnte man da sitzen. Sodass ich eigentlich bei Ihnen ein bisschen erzeugen möchte, ein Bild: die zwei, manchmal auch nur eine Stele in der Mitte, dann der Kreis der etwas niedrigeren Stelen, die auch meistens wenige figürliche Schmückungen haben, Tierdarstellungen haben. Und dann als drittes die Menschen.

Was für eine Versammlungsmöglichkeit, was ist da passiert? Und das ist Kalk, das ist ein relativ weicher Kalk und dieser Kalk ist gebrochen, diese Steine sind gebrochen, gar nicht weit von dort. Und man findet diese Bruchstellen, man hat das wunderbar ergraben, das hat auch Klaus Schmidt mit seinem Team gemacht. Und besonders toll ist, dass es dort ein Objekt gibt, was nicht fertig geworden ist. Und er hat auch gefunden, warum es war gebrochen. Man hat es aufgelassen. Und das ist natürlich wunderbar, weil man jetzt sehen kann, wie handige Arbeit [es war].

Und jetzt muss man sich diese Arbeit vorstellen. Er ist da hingegangen und hat gesagt: Ich versuche das einfach. Ich bilde Leute aus, die das mit diesen Feuersteinen üben und dann probieren wir einfach mal, wie langsam das geht. Und das hat er abbrechen müssen. Mit 50, 80 Menschen tagelang, es war nicht... es ist fast nichts vorangegangen. Also wir haben das Bild, dass eine Menschheit in bestimmten Gruppen allein für eine so eine Stele lange dort an dem Ort war. Eine Menschheit, die noch keine Nahrungsmittel hatte wie Getreide oder Linsen oder Fleisch oder Milch. Eine Jägergesellschaft. Die Knochen, von denen ich gesprochen habe, sind alles Gazellenknochen.

Es taucht also ein Bild auf, dass da temporär Gruppen hinkommen und an ihrer Stele arbeiten, vielleicht versorgt werden von einem anderen Teil über Wochen, dann wieder weggehen und zu einer anderen Periode, wenn wieder viele Tiere durch das Gebiet ziehen, weitermachen. Also eine rhythmische Sache über Jahre. Und ich glaube, das können Sie denken, es geht nicht darum, dass da ein tolles Ding nachher steht, sondern es geht darum, dass wir zusammen einen solchen Prozess machen und zu so etwas kommen. Und dieses Fest, dass das jetzt aufgestellt wird, das ist es in meinen Augen. In dieses Reinkommen: Jetzt ist das der Ort, an dem wir uns zentrieren, an der unser heiliger Ort ist.

Und ich muss gerade gucken, dass ich nichts überspringe. Es gibt jetzt dort an diesem Gelände aus der zweiten Schicht, aus der jüngeren Schicht, die ersten rechteckigen, wesentlich kleineren Stelenanordnungen. Und ungefähr 40, 50 Kilometer von dort entfernt, in Nevalı Çori, sind es nur noch Rechtecke und es sind Räume, die sozusagen rechteckig sind. Und es ist 500, 800 Jahre später. Und es ist das volle Paket der neolithischen Revolution da: die Schafe, Ziegen, die Kuh, das Schwein, die Gerste, die Vorformen des Weizens und die Linse. Was geblieben ist, ist diese T-Stele. Ist das nicht unglaublich?

Also wir blicken wirklich auf den Moment, wo eine Menschheit – wir wissen nicht aus welchen Gründen und wir waren nicht dabei, aber wir können das nachempfinden – wo eine Menschheit sozusagen diesen Ort liebgewonnen hat. Rudolf Steiner überschreibt die ganze Epoche damit: Sie gewannen die Erde lieb. Die persische Kultur ist die Kultur, in der die Menschheit auf einmal der Erde sich zuwendet. Und jetzt geschieht es da und geschieht wieder und geschieht wieder. Zum Teil sind fünf nebeneinander von diesen Kreisen über Jahrhunderte, anderthalb, 1,2 Jahrtausende lang. Und dann wird es von selber... also wird von den Menschen beerdigt, wird von den Menschen sozusagen der Sichtbarkeit entzogen und an einigen Orten in der Gegend tauchen diese Formen jetzt wieder auf in dem neuen Kontext eines landwirtschaftlichen Lebens.

Und Nevalı Çori, Çatalhöyük, könnte man lange darüber sprechen, wunderbar, die ersten kleinen landwirtschaftlichen Städtchen. Da lebten mehr als 100 Menschen, Haus an Haus. Man ging über die Dächer, der Weg war noch nicht erfunden zwischen den Häusern. Man ging wirklich über Leitern, über die Dächer und der wichtigste Raum, den bewohnte man gar nicht. Den nennen die Archäologen... ja, das ist so ein bisschen ein Sonderraum, der scheint noch mit diesem zusammenzuhängen. Gelebt hat man eigentlich auf den Dächern mit irgendwelchen Abdeckungen, weil in dem zentralen Raum, da waren eben solche Stelen-Nachbildungen, da waren wieder diese Bänke und was war an den Wänden? Das ist für uns doch eigentlich wunderbar: Rinderschädel. Aber nicht Rinderschädel von toten Rindern, sondern künstlich selber nachgemachte, plastizierte und mit Gipshörnern versehene Rinderschädel. Ich glaube, das Bild ist da.

Ich zähle die Tiere wenigstens auf, die auf dem Göbekli Tepe da vorhanden sind, dass Sie das sicher sind. Das sind wirklich keine Haustiere. Es ist der erste, der ergraben wurde... wir benennen die bei den Archäologen auch so die einzelnen Runden: Der Schlangenbau, der Fuchsbau, der Wildschweinbau. Und dabei sind natürlich immer wunderschöne Formen auf diesen Stelen. Dabei sind viele gemischte Tiere, da hat man einmal einen Vogel, ein Raubtier, einen Wiederkäuer, Katzen, löwenartige Tiere, auch wirkliche Fabeltiere, ganz eindeutig Tiere, die es so nicht gibt, die zum Teil dreidimensional so auf der Kante der Stele so herausgearbeitet sind, dass man wirklich sagt: Die müssen ja dahin transportiert worden sein. Entweder dort am Ort hergestellt worden oder schon da, wo der Stein herausgebrochen wurde. Eine unglaubliche künstlerische Leistung. Dann gibt es Vögel, Enten, Spinnen, Skorpione und Schlangen, jede Menge Schlangen. Und das Übliche ist, dass die Tiere alle nach unten weisen oder nach außen, raus aus dem Bereich. Ganz selten sind sie nach innen orientiert oder nach oben gar nicht. Auch schön.

Ja, die Örtlichkeit ist so: Man blickt herunter auf die Weite, die Steppenweite und hinter einem ist das immer weiter ansteigende große Gebirge, Sie hat es schon erwähnt, und das führt Wasser. Heute wissen wir nicht ganz genau... die Archäologen streiten jetzt die letzten fünf, acht Jahre sehr darüber: Ist das eine, was wir dort finden, ist das wirklich ein Wasserbassin? Hat man Wasser sozusagen in den Sommer hinein gehalten? Ist ein bestimmter Graben wirklich ein Graben gewesen oder war es doch was anderes, weil man sich nicht sicher ist, kann das in dem Kalk überhaupt halten, das Wasser und so weiter.

Sie werden das alles lesen können in den nächsten Jahren, wenn Sie wollen. Es wird immer weitergehen. Das Interesse der ganzen Menschheit ist riesig groß an diesem Hügel. Man hat ihn zum UNESCO-Kulturerbe gemacht, hat ein wunderschönes Dach drüber gemacht und überall, alle archäologischen Gesellschaften der Welt sind sich klar darüber, dass man das mit erster Priorität fördern muss, dass dort weitergegraben [wird].

Ich will noch aufzählen die Bäume. Das Einzige, was wir an Kohle, verkohltem Holz in dem ganzen Fundkontext haben, ist der Mandelbaum und die Pistazie in ihrer Wildform. Ganz außergewöhnlich. Überall in der Region sind ganz andere Bäume zu finden. Auch ein merkwürdiges Detail, was noch nicht geklärt ist: Der Boden, auf den muss ich noch hinweisen, der Boden ist in einigen dieser Runden ein Terrazzo-Boden. Da ist Kalk gebrannt worden. Da ist ein glatter Boden hergestellt worden, mitten in der Steinzeit. Ohne Landwirtschaft, ohne Gefäße, die man gebrannt hat. Unglaublich. Nicht alle, aber in einigen.

Experimentelle Archäologie: Das Rätsel der Reibschalen 00:30:04

Ich gehe weiter und ich komme nun zu etwas, was Klaus Schmidt nicht mehr erleben konnte. Was Laura Dietrich, eine Archäologin aus Berlin, im letzten und im vorletzten Jahr herausgefunden hat. Hunderte, tausende von kleinen Reibschalen mit Reibmörsern sind auf dem Gelände gefunden worden. Und zwar so viele, dass Klaus Schmidt einmal bei einem Vortrag sagt: Wir ersticken förmlich. Wir müssen uns ständig mit diesem ganzen Zeug beschäftigen. Wenn wir ein bisschen abtragen, ist schon wieder so viel drin, dass wir so verzögert sind. Es nervt. Und 7200 so und so viele solche Reibmörser, Mahlinstrumente sind gefunden worden. 7200.

Und die allermeisten sind nicht aus dem anstehenden Kalkgestein, sondern aus dem Basalt, der gar nicht so ganz nah ist. 20, 30 Kilometer. So kleine Basaltdurchschüsse, so Vulkane, die sich besonders dafür eignen. Und diese Reibschalen – und da muss man dieser Laura Dietrich, eine hervorragende Archäologin, sehr dankbar sein – sie hat das experimentell gemacht. Sie hat sich eine ganze Menge von Leuten geholt und hat die jetzt nachgemacht, diese Instrumente, und hat die Leute damit die verschiedensten Produkte bearbeiten lassen. Und hat gesagt: Ja, ihr könnt reiben, ihr könnt kreisen und so weiter. Und dann hat sie das statistisch ausgewertet.

Dann hat sie gesagt: Wie die Spuren da entstanden sind durch die Leute, wo wir nun wissen, was sie gerieben haben und wie sie gerieben haben, können wir jetzt auf einmal die Abriebsspuren auf den gefundenen Werkzeugen viel besser verstehen. Und sie hat mit modernster Mikrotechnik die letzten Pfitzelchen, Krümelchen, die kleinsten Krümelchen, die noch in den Ritzen hingen, analysiert. Und das Bild ist bestätigt: wieder keine der heutigen Kulturgetreide. Tausende von Reibinstrumenten für ein Noch-Nicht-Getreide. Das ist doch unglaublich.

Also da ist sozusagen die ganze Möglichkeit... der Mensch ist sozusagen ganz klar, wie das gehen kann. Und man müht sich ab mit – wir würden heute sagen Wildformen, wir können natürlich durchaus denken, dass das Formen im Übergang sind. Man müht sich ab mit diesen Pflanzen und diesen Samen. Und sie hat dann auch mit dieser Methode, dass sie es Menschen hat machen lassen, da in Berlin-Dahlem, hat sie herausbekommen: Ja, da ist doch möglich, dass man innerhalb von vier, fünf Stunden, die man da aushalten kann – das ist dann eine sehr harte Arbeit – da kommt man doch zu einem Pfund. Also 500 Gramm. Und das ist ja schon mal was. Also ja, das funktioniert dann doch.

Ausblick: Vom Kultus zur Landwirtschaft 00:33:10

Also ich will Sie so ein bisschen noch da hereinblicken lassen in die Werkstatt. Wo stehen wir im Moment in diesem Prozess der Erforschung dieses Ortes? Und was man hier vielleicht noch dazutun könnte, zu diesen Prinzipien – das schreibe ich jetzt nicht hin – das ist Fest, Feier, Kultus. Das schon angedeutet mit der Aufrichte. Und ich habe das angedeutet mit dem Gazellenfleisch. Und ich habe das jetzt versucht zu beschreiben mit diesen Reibmörser-Mahlinstrumenten. Wir können das nur eigentlich denken, dass es dort eine Bevölkerung gab, die in ganz geschickter Weise – Klaus Schmidt ist schon von 150 Kilometer Radius ausgegangen, dass die Menschen da hinkommen und wieder weggehen. Ein wirklicher Mysterienort, der versorgt wird. Und wo ständig eine Feier, eine Feststimmung ist.

Aus der heraus, müssen wir denken, entsteht der Sog, die Lust, entsteht das Bedürfnis, diese neue Kultur der Örtlichkeit, der Senkrechte und der Zukunft zu entwickeln: Landwirtschaft. Ich nehme mir noch drei Minuten und Sie versprechen mir, dass Sie ganz schnell dann essen. Schauen Sie da oben, der persische Mensch. Es ist eine Skizze Rudolf Steiners, die die Maler hier in den 98 gemalt haben. Und der persische Mensch ist in Kommunikation mit diesem Eingeweihten, mit diesem Zarathustra, der diese Strahlen auf seine obere Hälfte seines Gesichtes sendet. Vielleicht erinnert Sie das an das, was wir vorhin gemacht haben: das Vorstellen, in Beziehung treten mit der Ideenwelt. Hier kommt die Ideenwelt in dieser Grafik wie von außen durch den Zarathustra.

Und die untere Hälfte, diese sieben dunklen Engel... auf einmal mit der persischen Kultur, mit der Entwicklung der Landwirtschaft, gibt es eine dunkle Zeit. In der Weite, im Wandern, ist nicht Gut und Böse. Ist nicht Hell und Dunkel. An einem Ort ist Hell und Dunkel. Ist Nachbar, ist Grenze, ist Weg. Sehen Sie den Schritt? Das ist alles mit der Landwirtschaft verbunden.

Also das wollte ich noch bringen und dann wollte ich enden mit der berühmten Schilderung aus der Mythologie, weil ich Ihnen das versprochen hatte, dass Sie doch auch diese vierte Quelle, die Mythologie, benutzen. Es tut mir leid für die Übersetzer, ich mache ganz langsam. Es ist ein Gebet, kann man sagen, an den Zarathustra, der der Vermittler ist der Geistigkeit. Und es ist eine Art Erzählung und es ist sicher eine viel spätere Überlieferung. Aber ich glaube, man wird schon merken, dass das dieser Strom ist.

"O Schöpfer der Welt, Ascha Ehrwürdiger! Wer befriedigt mit größter Zufriedenstellung die Erde hier? Da sagt Ahura Mazda: Wahrlich, wo man am meisten, O Zarathustra, durchs Aussäen anbaut, Getreide und Gräser und Gräser mit essbaren Früchten, indem man zur Wüste hin Wasser schafft, dann nicht – denn nicht ist diese Erde froh, die lange ungepflügt da lag, die vom Pflüger zu pflügen ist, Gutes darum heischend beim Bewohner."

Die Anfrage, die Anbetung an die Gottheit: Du bist gut, wenn du Gärten schaffst, wenn du Umfriedungen schaffst, wenn du Wasser hinschaffst, wenn du Gräser zu essbaren Gräsern kultivierst und die Menschheit versorgst und diesen Schritt gehst. Ich möchte es dabei lassen, weil wir schon sehr über der Zeit sind, man kann das nicht an einem Abend abschließen, aber ich wollte diesen Einblick geben, das war, das ist unsere heutige Situation, wie wir darauf schauen können. Danke.

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